KINDER, WIE DIE ZEIT VERGEHT
Praxispanel II
Der Dokumentarfilm hat die Chance, Menschen und Projekte über lange Zeiträume zu begleiten und so Lebenslinien der Wirklichkeit nachzuzeichnen. Doch gerade die Montage von Langzeitdokumentarfilmen steht vor großen Herausforderungen: Letztlich entscheidet der Schnitt, wie, wann und ob das Vergehen von Zeit sicht- und erlebbar gemacht wird, immer auf Basis einer unglaublichen Fülle von Ausgangsmaterial. Ob in der langjährigen Begleitung eines ambitionierten architektonischen Projekts in einem einzigen Film, wie bei Jörg Adolphs Lost Town, oder dem Dokumentieren eines interkulturellen Coming-of-Age-Prozesses in verschiedenen Filmen wie in Bettina Brauns Trilogie Was lebst du?, Was du willst und Wo stehst du? – diese Filme sind genau wie ihre Sujets und Protagonisten in jahrelangem Entstehensfluss, ohne auf simple Lösungen zuzusteuern. Im Montageprozess müssen hier daher in besonderem Maße filmische Form, Antworten und Lösungen gefunden werden. Was tun, wenn nicht nur Protagonisten sich im Laufe der Jahre verändern, sondern durch eine Verschiebung des inhaltlichen Schwerpunkts auch Tonalität und Genre variiert werden müssen? Wenn die dramaturgischen Linien sich im Laufe der Jahre gänzlich anders entwickeln, als im ursprünglichen Konzept avisiert? Wie setzt die Montage eigene filmsprachliche Schwerpunkte im umfangreichen »Materialdschungel«, entwickelt eine Haltung zur Integrierung von Archivmaterial? Welche Glättungen und Auslassungen sind zulässig, welche sogar notwendig?
Anhand konkreter Filmausschnitte laden die beiden jeweils bereits bei Filmplus mit dem Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm ausgezeichneten Editorinnen Gesa Marten und Anja Pohl zum gemeinsamen Erkunden der Untiefen im Montieren vergehender Zeit.
Gesa Marten
Gesa Marten studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Germanistik und Philosophie in München und Köln. Seit 1991 arbeitet sie freiberuflich als Editorin und Schnitt-Dramaturgin in Köln und unterrichtet an verschiedenen Hochschulen. 2000 war sie mit Abnehmen in Essen in der Kategorie »Bester Schnitt« für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, ebenso 2004 und 2006 für den Deutschen Kamerapreis, Kategorie Schnitt. Bei Filmplus wurde sie 2005 gemeinsam mit Bettina Braun für ihren Schnitt an Was lebst du? und 2009 für pereSTROIKA – umBAU einer Wohnung mit dem Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm ausgezeichnet.
Anja Pohl
Anja Pohl studierte in München und Berlin Geschichte und Politikwissenschaften und absolvierte an der Schule für Gestaltung Zürich in »Allgemeine Gestaltung«. Seit 1996 arbeitet sie als freie Editorin an TV- und Kinoproduktionen von Regisseuren wie Peter Thorwarth, Markus Rosenmüller sowie den Dokumentarfilmern Jörg Adolph und Dominik Wessely. Sie ist zudem als Lehrbeauftragte an HFF München und ifs internationaler filmschule Köln tätig. 2007 gewann Anja Pohl bei Filmplus den Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm für Die Unzerbrechlichen und 2011 den Deutschen Kamerapreis für die Montage von El Bulli – Cooking in Progress.
Kinder, wie die Zeit vergeht
Montage von Langzeitdokumentarfilmen
Sonntag, 27. 11.2011, 19:00 Uhr
im Filmforum im Museum Ludwig
In Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien (KHM).